Ohnehin sind Unternehmen in den letzten Jahren auf der Energieseite mehr gefordert, etwa durch wandelnde regulatorische Rahmenbedingungen und den Anspruch auf höhere Energieeffizienz. Energiemanagement ist damit inzwischen mehr als bloßes Messen und Visualisierung von Energiedaten. Moderne IT-Verfahren bieten die Chance, Komplexität in einen Wettbewerbsvorteil zu verwandeln und die Wirtschaftlichkeit des Energiesystems zu erhöhen.
Flexibilität finden und nutzen
Flexibilität im Energiesystem zu finden ist oft der erste schwierige Schritt. Einen Grundüberblick verschafft man sich am besten mit einem Energiemanagementsystem. Dabei bietet sich häufig ein System im Software-as-a-Service-Modell (SaaS) an, das keine Investitionen in Software oder Hardware erfordert. Live-Messdaten werden hierbei entweder mittels Gateway direkt aus der Liegenschaft oder über Internet-Anbindung aus einer bestehenden Datenbank übertragen. Lokale Systeme oder andere Cloud-Systeme, etwa für die Ressourcen- oder Produktionsplanung, können ebenfalls eingebunden werden. Ein SaaS-Energiemanagementsystem ermöglicht die Echtzeit-Verarbeitung aller Energiemessdaten und hilft mit umfangreichen Visualisierungs-, Auswertungs- und Berichtsfunktionen, die Energiedaten zu analysieren und das Energiesystem live zu überwachen.
Mehrwert mit KI
Bei der Analyse soll es jedoch nicht bleiben: Intelligente Energiemanagementsysteme erlauben Unternehmen ihr Energiesystem in Echtzeit auf Faktoren wie Marktpreise, Produktionsstabilität und Energieeffizienz zu optimieren. Die dazu notwendige Verarbeitung und Analyse enormer Datenmengen übernehmen etwa lernfähige Algorithmen auf Basis von künstlicher Intelligenz. Sie generieren beispielsweise kontinuierlich granulare Prognosen der Energieverbräuche bzw. -bedarfe. Mit diesen kann im nächsten Schritt optimiert Energie beschafft werden. KI-Algorithmen verarbeiten neue Informationen automatisiert und schnell. Durch die kontinuierliche Integration liegenschaftsspezifischer Daten wie Messwerte, Produktionspläne, Schichtzeiten oder Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen, sowie externer Daten wie Wetter- oder Marktdaten, lernen sie außerdem kontinuierlich dazu, passen sich an veränderte Gegebenheiten an und verbessern sich damit selbstständig.
Fahrpläne für Erzeuger und Verbraucher
Die erstellten Prognosen dienen jedoch nicht nur der besseren Beschaffung, sondern können auch als Input für eine automatisierte Einsatzoptimierung von Energieerzeugern und -verbrauchern genutzt werden. Die konkreten Zielsetzungen und Anwendungsbereiche einer Fahrplanoptimierung können vielfältig sein. Mögliche Mehrwerte der optimierten Einsatzplanung sind die Senkung der Primärenergiekosten, die Einsparung von Netzentgelten, Erschließung von Vermarktungserlösen aus überschüssiger Energie oder Minimierung der CO-Emissionen. Ziel einer optimierten Einsatzplanung ist eine kontinuierliche, automatisierte Erstellung von Anlagenfahrplänen, um Anlagen nach möglichst wirtschaftlichen und technischen Parametern zu fahren. Dazu wird das gesamte Energiesystem, bestehend etwa aus Blockheizkraftwerken (BHKW), Wärme-, Kälte- oder Batteriespeichern, Heizkesseln und Energieverbrauchern in einem Optimierungsmodell abgebildet. In das Modell fließen sowohl technische als auch wirtschaftliche Parameter ein, etwa technische Daten der Anlagen, Verbräuche oder Lastspitzen. Auch Lieferverträge, Entgelte und Regularien werden einbezogen. Ebenso werden die prognostizierten Energiebedarfe für Strom, Wärme, Kälte oder Dampf genauso wie alle relevanten Betriebsparameter berücksichtigt. Auch Prognosen der unterschiedlichen Energiemärkte gehen in das Modell mit ein.
Preisschwankungen nutzen
Ein höchst aktuelles Einsatzgebiet von digitalen Lösungen für den optimierten Betrieb industrieller Energiesysteme sind variable Stromtarife. Ziel ist die Nutzung der Volatilität der Strompreise an den Day-Ahead oder Intraday-Strommärkten durch eine sogenannte strompreisgeführte Fahrweise der Anlagen. Bei günstigen oder gar negativen Strompreisen wird so mehr Energie aus dem Netz abgenommen und bei hohen Strompreisen der Verbrauch gedrosselt oder eher auf die eigene Stromproduktion oder -speicherung zurückgegriffen. Dies geschieht unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen und produktionsspezifischen Restriktionen.
Kosten sinken oft deutlich
Die so optimierten Einsatzfahrpläne werden automatisiert generiert, an den Kunden oder direkt an die relevanten Systeme übertragen und parallel im Kundenportal zur Verfügung gestellt. Über automatisierte Schnittstellen können die Fahrpläne und Prognosen auch dem Energieversorger, Netzbetreiber oder Energiehändler zur Verfügung gestellt werden. Bei entsprechender Flexibilität im Verbrauchs- und Energieerzeugungsprozess lassen sich die Strombezugskosten des Industrieunternehmens deutlich reduzieren. Auf das gesamte Energiesystem betrachtet, kann eine Einsatzoptimierung eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit von 20 Prozent und mehr bedeuten.
Beispiel Fernwärmesystem
Ein Beispiel für die erfolgreiche Erhöhung der Wirtschaftlichkeit eines Energiesystems findet sich im sächsischen Geithain, wo die STEAG New Energies GmbH ein Fernwärmesystem betreibt. Eine kontinuierliche Fahrplanoptimierung ermöglicht den Anlageneinsatz nach kurzfristigen Strompreissignalen unter gleichzeitiger Einhaltung der Wärmelieferverpflichtung an das angeschlossene Fernwärmenetz. In das Optimierungsmodell der Fernwärmesystems bestehend aus BHKWs, Gaskesseln und einem Wärmespeicher fließt neben der prognostizierten Wärmelast des Fernwärmenetzes auch eine Strompreisprognose ein. Der Anlagenfahrplan beinhaltet auch das optimierte Be- und Entladen des Wärmespeichers. Die effiziente Ausnutzung der Speicherkapazität verhindert ein vorzeitiges Aus- oder Einschalten des BHKWs und der Kessel. Diese können so möglichst anlagenschonend und wartungsoptimal betrieben werden. So werden zum richtigen Zeitpunkt Strom erzeugt, die Preisspitzen am Strommarkt ausgenutzt und Zusatzerlöse generiert.