Künstliche Intelligenz und MES

Auf dem Weg in die 5. industrielle Revolution

Die Einbindung von künstlicher Intelligenz auf Werksebene bietet enorme Optimierungs- und Produktionssteigerungspotentiale - obwohl die wirtschaftliche Nutzung erst seit kurzem möglich und noch gar nicht alle Anwendungsfelder greifbar sind. Doch um den Blick auf die Zukunft der Produktion zu schärfen, müssen die Vergangenheit und technologische Innovationen verstanden sein.
Künstliche Intelligenz und Robotik werden zunehmend auch im produzierenden Mittelstand implementiert. Dort eingesetzte MES-Anwendungen müssen technologisch auf ein Zusammenspiel mit solchen Applikationen vorbereitet sein.
Künstliche Intelligenz und Robotik werden zunehmend auch im produzierenden Mittelstand implementiert. Dort eingesetzte MES-Anwendungen müssen technologisch auf ein Zusammenspiel mit solchen Applikationen vorbereitet sein. Bild: ©Seventyfour/stock.adobe.com

Die Industrie beziehungsweise die industrielle Produktion hat im Verlauf ihrer Geschichte viele kleinere, aber auch drei große Revolutionen durchlebt – die vierte industrielle Revolution ist in vollem Gange und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen, bietet aber auch große Chancen. Denn was mit der Erfindung der Dampfmaschine begann, ist inzwischen zu einem komplexen und oft vollautomatisierten System geworden. Nicht nur das zu fertigende Gut hat einen wirtschaftlichen Wert, die Patente, das Know-how und vor allem die Produktionsdaten sind mindestens gleichwertig. Denn um eine effektive und produktive Fertigung organisieren zu können, spielen heutzutage valide Daten eine zentrale Rolle.

Arbeitskraft und Planungswissen

Maschinelle Energieerzeugung und -nutzbarmachung haben im Zuge der ersten industriellen Revolution Menschen und Tieren körperliche Arbeit abgenommen. Neu erfundene Maschinen konnten schwere Tätigkeiten übernehmen – ohne Ermüdungserscheinungen und auf meist gleichbleibendem Niveau. Die maschinelle Energiegewinnung ermöglicht im nächsten Schritt auch eine effiziente Fließbandproduktion, also eine Massenanfertigung, die nur durch menschliche Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Der Mensch bekam eine neue Rolle im Fertigungsprozess, in dem er Maschinen und Prozesse verbesserte, Produktions- und Logistikkonzepte erarbeitete und vermehrt Kontroll- und Qualitätssicherungsaufgaben übernahm. Die Elektrifizierung, die Erfindung von Computern und automatisierten Anlagen sowie die aktuellen Digitalisierungsprozesse haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Produktions- und Arbeitswelten erneut verändert haben. Dabei standen in der Regel die Verbesserung der Produktivität, der Energienutzung und der Prozessoptimierung mit dem Ziel höherer Produktion, verbesserter Qualität und effizienterer Ressourcennutzung im Vordergrund.

Produktionsmanagement wird digital

Grundlage einer im globalen Kontext wettbewerbsfähigen Fertigung ist heute meist ein digitales Produktionsmanagement und -leitsystem, welches alle relevanten Betriebs- und Maschinendaten erfasst und verarbeitet. Manufacturing Execution Systems (MES) erzeugen und speichern riesige Datenmengen (Big Data) – spezielle Tools ermöglichen eine produktions- und prozessorientierte Datenanalyse und unterstützen Planungsverantwortliche bei der bestmöglichen Planung der Logistik, des Materialflusses und der Fertigung. Möglich wird die Digitalisierung der Industrie und somit im nächsten Schritt auch die Einführung von KI-basierten MES-Lösungen durch die exponentiell gestiegenen Speicher- und Datenverarbeitungskapazitäten moderner Computer. Hochspezialisierte Softwarelösungen können nicht mehr nur lokal beziehungsweise arbeitsplatzgebunden eingesetzt werden, sondern ermöglichen eine produktions-, abteilungs- und unternehmensübergreifende Vernetzung – das Industrial Internet of Things (IIoT).

Künstliche Intelligenz als Antwort auf Big Data

Noch während die vierte industrielle Revolution, die Digitalisierung und weltweite Vernetzung im vollen Gang ist, kündigt sich schon der nächste bahnbrechende Innovationsschub an. Denn die künstliche Intelligenz zieht zunehmend in Werkshallen und das Produktionsmanagement ein und revolutioniert dabei die fertigungsnahe Datenverarbeitung. Die großen Datenmengen, die durch den Einsatz von Manufacturing Execution Systems bereits vorhanden sind, können von KI-Algorithmen tiefgreifend und strukturell analysiert und nutzbar gemacht werden. Denn während MES-Lösungen zwar sehr effektiv in ihren jeweiligen Anwendungsgebieten sind, können sie mit Hilfe von KI-Unterstützung Muster und Regelmäßigkeiten erkennen und Big Data in Smart Data verwandeln. Eine derart umfangreiche Daten- und Zusammenhangsanalyse führt dazu, dass Maschinen eine Art Lerneffekt (Machine Learning) aus Produktionsdaten und -prozessen ziehen können und sich so Prognosen und aussagekräftige Simulationen ergeben.

Sensordaten gewinnen an Bedeutung

Im Produktionsalltag kann das beispielsweise bedeuten, dass der Ausfall einer Maschine nicht mehr nur umgehend gemeldet wird, sodass der Planer schnell reagieren kann. Vielmehr kann nun prognostiziert werden, wann mit einem Maschinenausfall zu rechnen ist und welches Verschleißteil daher zeitnah instandgesetzt oder ausgetauscht werden sollte. Die hierfür zuständigen Sensoren melden also nicht mehr singuläre Ereignisse, sondern setzen ihre Daten direkt in Zusammenhang mit anderen relevanten Daten und erkennen so den Kausalzusammenhang. Das KI-basierte System kann daher frühzeitig und eigenständig Abweichungen erkennen, einordnen und – wenn notwendig – Maßnahmen ergreifen. Dieses Konzept heißt im Fachjargon zumeist Predictive Maintenance. Eine solch intelligente Steuerung kann unter anderem in der Personaleinsatzplanung eingesetzt werden. Denn wenn das KI-unterstützte Produktionsmanagement neue oder geänderte Aufträge, eine Maschinenstörung oder andere ungeplante Situationen erkennt, kann – je nach Umfang und Auswirkung der Situation – die Schicht- und Einsatzplanung angepasst werden. Auf Grundlage der erfassten Daten und der kybernetischen Feedbackschleifen kann analysiert werden, wie sich der Personalbedarf verändert. Eine neu erstellte Produktionsplanung legt fest, wann welcher Mitarbeiter und welche Fachkraft an welcher Maschine sein muss und mit welcher Gesamtplanung die Produktions- und Liefertermine am ehesten eingehalten werden können. Das System plant Maschinenumrüstungen, Materialflüsse und weitere produktionsrelevante Aufgaben und schlägt die Alternativplanung vor – oder setzt diese direkt um. Zeitgleich fließen die neue Planungsinformationen ins ERP-System, sodass gegebenenfalls Kunden über eine verspätete Lieferung informiert werden können.

Die fünfte industrielle Revolution

Diese tiefgreifenden Veränderungen der betrieblichen Abläufe illustrieren, warum der Einzug der künstlichen Intelligenz in die Fertigung eine große Innovation, möglicherweise sogar eine fünfte industrielle Revolution darstellt: Nachdem bisher die meisten technologischen Innovationen zur Unterstützung und Entlastung des Menschen dienten, kann eine KI-basierte Fertigung Prozesse autonom kontrollieren und steuern. Die Technologie ist also nicht mehr nur Partner, sondern eigenständiger Akteur. An dieser Stelle werfen häufiger Kritiker ein, dass so Menschen aus der Arbeitswelt verdrängt werden und dadurch Massenarbeitslosigkeit entstehe. Doch einerseits wird der Facharbeiter für das Einrichten und Trainieren von KI-basierten IT-Lösungen benötigt. Denn selbst wenn die künstliche Intelligenz gewisse Aufgaben effektiver bearbeiten kann als Menschen, weiß sie keine Produktionsziele zu definieren und nicht die passenden Qualitätsstandards einzuhalten. Auch fehlt ihr die Kreativität, um an neuen Einsatzgebieten oder gar ganzen Produktentwicklungen zu arbeiten. Andererseits erfordert die Digitalisierung eine Vielzahl an gut ausgebildeten Fachkräften – unzählige Stellen müssen geschaffen und adäquat besetzt werden. Und gerade in Wissenschaft und Forschung werden immer Menschen benötigt, um die Welt der Innovationen zu organisieren, zu bewerten und zu testen.

Innovativer Wegbereiter

Die Vision des Industrial Internet of Things sieht die Vernetzung aller Anlagen, Maschinen, Transportmittel, Leitstände, Prozesse und so weiter vor. Aus dieser Echtzeitkommunikation der Teilnehmer untereinander resultiert eine Datenmenge, die eine ideale Grundlage für KI-gesteuerte Manufacturing Execution Systems darstellt. Denn mit Hilfe der richtigen Algorithmen kann eine sehr tiefgehende Produktions- und Prozessanalyse getätigt werden. Die so offengelegten Optimierungspotentiale bei der Produktivitätssteigerung werden von vielen Experten auf rund 20 Prozent geschätzt. Doch wie groß diese Prozentzahl im Einzelnen auch sein mag, die nachhaltige Steigerung der Wirtschaftlichkeit mit Hilfe eines professionellen MES-Tools und bedarfsgerechten KI-Lösungen ist regelmäßig möglich.

Spezialist für modular konfigurierbare MES

Wie jedes Unternehmen Experte in seinem Bereich ist, hat sich die GFOS mbH auf modular konfigurierbare Manufacturing Execution Systems spezialisiert. Jahrelange Erfahrung in den verschiedenen Branchen, innovative Softwareentwicklung sowie leistungsstarke Partner bei Hard- und Software sowie ein hohes Maß an Individualisierbarkeit der IT-Lösungen sichern die Projekterfolge. Industrieunternehmen der heutigen Zeit können von den zahlreichen Errungenschaften und Innovationen der vergangenen Jahrzehnte profitieren. Doch die Produktion unterliegt weiterhin technologischen Veränderungen und während Firmen der Fertigungsindustrie und der IT-Branche gemeinsam durch die digitale Transformation steuern – im industriellen Umfeld besser als Industrie 4.0 bekannt – klopft mit der künstlichen Intelligenz bereits die nächste Revolution an die Werktore. n Mitglied der Geschäftsleitung der GFOS mbH.

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Fraunhofer IEM
Bild: Fraunhofer IEM
Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Welcher Liefertermin steht wann an? Wie aufwändig muss die Maschine umgerüstet werden? Ist das benötigte Material bereits geliefert? Um die Reihenfolge verschiedener Kundenaufträge optimal zu planen, müssen Produktionsplaner:innen eine Vielzahl von Faktoren kennen und einschätzen. Bei Schulte Kartonagen hat ab sofort ein intelligenter KI-Assistent alle Faktoren im Blick – und macht Vorschläge für die effiziente Planung der Produktion. Gefördert wurde die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IEM und den Universitäten Paderborn und Bielefeld im it’s OWL-Projekt ARISE.

Bild: schoesslers GmbH
Bild: schoesslers GmbH
appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe stellt den kostenfreien Online-Kurs ‚AI Essentials‘ zur Verfügung, der es Interessierten ermöglicht, in die Welt der Künstlichen Intelligenz einzusteigen. Konzepte wie maschinelles Lernen und Deep-Learning sowie deren Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen auf unser Leben und unsere Wirtschaft sind Teile der umfassenden Einführung.

Bild: Trumpf SE + Co. KG
Bild: Trumpf SE + Co. KG
Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Seit dem Siegeszug des Chatbots ChatGPT ist künstliche Intelligenz in aller Munde. Auch in der industriellen Produktionstechnik kommt KI mit großen Schritten voran. Lernende Maschinen machen die Fertigung effizienter. Wie funktioniert das genau? Das können Interessierte auf der EMO Hannover 2023 vom 18. bis 23. September erfahren. Die Weltleitmesse für Produktionstechnologie wird ihr Fachpublikum unter dem Claim ‚Innovate Manufacturing‘. mit frischen Ideen inspirieren und künstliche Intelligenz spielt dabei ihre Stärken aus.

Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

Das Data-Science-Tool Melsoft MaiLab von Mitsubishi soll Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Fertigung und unterstützen und so deren Produktivität steigern. Die neue Lösung ist eine intuitive, bedienerzentrierte Plattform, die KI nutzt, um Abläufe automatisch zu verbessern. Sei es Abfallvermeidung durch geringere Ausschussmengen, weniger Stillstandszeiten durch vorbeugende Wartung oder Senkung des Energieverbrauchs durch Prozessoptimierung.

Bild: Fraunhofer IGD
Bild: Fraunhofer IGD
Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

In Kombination mit einer Augmented-Reality-Brille bietet eine neue Software des Fraunhofer IGD digitale Unterstützung von Absortiervorgängen. Zusammengehörige Bauteile werden direkt im Sichtfeld der Beschäftigten an der Produktionslinie farblich überlagert. Anwender im Automotive-Bereich können so etwa durch beschleunigte Prozesse und eine minimierte Fehleranfälligkeit Kosten reduzieren.