Technologieunternehmen überbieten sich darin, die Lücke mit Software zu schließen, die den Menschen Sicherheit geben soll, während sie versuchen, sich im Labyrinth der Lockerungsbestimmungen zurechtzufinden. Ein bekannter Ansatz sind Kontaktverfolgungs-Apps für Smartphones, die von Technologie- und Telekommunikationsunternehmen entwickelt werden. Diese Apps warnen die Nutzer, wenn sie sich in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Blicksteuerung mit KI zur Vermeidung kontaminierter Oberflächen
Und auch andere Technologien können hilfreich sein. Wenn Unternehmen und Institutionen ihren Betrieb wieder aufnehmen, müssen sie vieles anders machen als früher. Eine neue Technologie namens ‚Blicksteuerung‘ hilft den Menschen, die Berührung von Oberflächen, die mit dem Virus kontaminiert sein könnten, etwa Touchscreens von Geldautomaten oder Ticketautomaten, zu vermeiden.
Stephan Odörfer ist Gründer und Geschäftsführer des Münchener Startups 4tiitoo, ausgesprochen („fourty-two“), das Blicksteuerungstechnologie entwickelt. Einfach ausgedrückt, ist das eine Technologie, die es den Menschen ermöglicht, über die Augen mit Computern zu interagieren. Und damit müssen sie Tastatur, Maus oder Touchscreen nicht mehr berühren.
4tiitoo hat die Blicksteuerung mit künstlicher Intelligenz (KI) kombiniert, um Muster in der Augenbewegung zu analysieren und vorherzusagen, was die Nutzer auf einem bestimmten Anzeigebild oder in einer bestimmten Anwendung als Nächstes tun möchten.
„Die Blicksteuerung ermöglicht zwei Dinge: Die Nutzer können den Computer steuern, und wir können erkennen, was die Nutzer eigentlich tun möchten“, erklärt Odörfer. „Wenn wir verstehen, was die Nutzer wollen, können wir sie vorausschauend unterstützen.“
So hat 4tiitoo z.B. eine Technologie namens NUIA entwickelt, die lernt, wie ein Nutzer ein Dateneingabeformular liest und bedient. Mit dieser Information und der Blickposition des Nutzers ‚klickt‘ die Lösung automatisch in das nächste Feld, ohne dass der Nutzer die Maus anfassen muss. Auch die Sprachtechnologie ist in diese Lösung integriert, sodass die Informationen auch direkt in die Datenfelder diktiert werden können, statt sie einzugeben.
Kontaktlose Eingabe statt Touchscreens
Von den unzähligen Anwendungsmöglichkeiten für berührungslose Technologien, können z.B. die besonders gefährdeten Mitarbeiter von Fertigungsunternehmen profitieren. 4tiitoo nahm 2018 an SAP.iO Foundries teil. Seitdem arbeiten die beiden Unternehmen gemeinsam daran, Produktionshallen und Büros effizienter und ergonomischer zu gestalten. Diese Projekte sind heute dringlicher und wichtiger als je zuvor, denn schließlich müssen die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer, die an die Produktionslinien zurückkehren, jetzt besonders geschützt werden. Die Blicksteuerung bewahrt Arbeitnehmer davor, für die Dateneingabe ihre Schutzhandschuhe ausziehen oder stundenlang Touchscreens desinfizieren zu müssen, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Auch ambulante medizinische Einrichtungen und Krankenhäuser können davon profitieren. „Da kommen mehr infizierte Menschen zusammen, sodass das Infektionsrisiko höher ist“, betont Odörfer. „Deshalb ist es hilfreich, ein Gerät mit Touchscreen gezielt mit den Augen steuern zu können.“ Da die Lösung intuitiv und benutzerfreundlich ist, hofft Odörfer, einen hohen anfänglichen Lernaufwand zu vermeiden, denn dieser hemmt in der Regel die Verbreitung neuer Technologien.
Technologien wie KI, Blockchain und IoT helfen im Umgang mit der Pandemie
David Judge, Vice President of Intelligent Enterprise Solutions bei der SAP, teilt diese Ansicht. Er glaubt, die Pandemie könnte die Verbreitung von Technologien wie KI, Blockchain, Internet der Dinge (IoT) und maschinellem Lernen beschleunigen. Vor der Pandemie wagten die Unternehmen laut Judge gerade erst die ersten vorsichtigen Schritte mit diesen Technologien, die sich nun für die Erholung der Wirtschaft als enorm wichtig erweisen können.