Heute: Datenschutz und Produktion in Zeiten von Covid-19

Das Thema Coronavirus beherrscht derzeit die Welt. Um die Pandemie einzuschränken, greifen Regierungen zu drastischen Präventionsmaßnahmen. Auch die Wirtschaft wird herausgefordert. Die Rechte des Einzelnen müssen grundsätzlich auch dann gewahrt bleiben, wenn Unternehmen ein Interesse daran haben, den Gesundheitszustand der Beschäftigten zu erfahren.

Einige Unternehmen planen, ihr Betriebsgelände durch Schleusen abzusichern, an denen Infrarot-Kameras mittels Wärmebildfunktion die Körpertemperatur bei passierenden Mitarbeitern messen. Die auf den ersten Blick womöglich harmlos erscheinende Maßnahme involviert allerdings zumeist die Verarbeitung personenbezogener Daten. Das Datenschutzrecht findet Anwendung, wenn eine (auch nachträgliche) Identifikation der Person möglich ist. In der Regel liegen in diesem Fall weitere Datenquellen vor, die einen Personenbezug begründen: Schlüsselkartenlese- oder Arbeitszeiterfassungsgeräte, Videoüberwachungsanlagen oder Kenntnisse des Pfortenpersonals. Das Hausrecht des Unternehmens allein kann somit im Regelfall keine Rechtfertigung der Maßnahme darstellen. Auch in Krisensituationen sind gesetzliche Vorgaben zu beachten – umso mehr, wenn es um (sensible) Gesundheitsdaten geht.

David Nink ist Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Digital Business bei der Kanzlei Noerr. Er berät Mandanten im Datenschutz- und IT-Vertragsrecht sowie bei IT-Projekten (KI-Nutzung, Cloud Computing).
David Nink ist Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Digital Business bei der Kanzlei Noerr. Er berät Mandanten im Datenschutz- und IT-Vertragsrecht sowie bei IT-Projekten (KI-Nutzung, Cloud Computing).Bild: Noerr LLP

Keine sichere Diagnose

In der Regel kann insbesondere auch der Schutz der (übrigen) Beschäftigten nicht die Fiebermessung rechtfertigen, weil sie als solche kein geeignetes Mittel zur eindeutigen Erkennung von Corona-Infektionen ist. An Covid-19 Erkrankte leiden zwar häufig, aber nicht zwingend unter Fieber, sodass die Fiebermessung keine sichere Identifikation von Infektionsträgern erlaubt. Auch umgekehrt gilt: Fieber ist zunächst nur ein Symptom für entzündliche Prozesse im menschlichen Körper. Eine erhöhte Körpertemperatur als solche lässt noch keinen Rückschluss auf eine Corona-Infektion zu.

Spagat zwischen Fürsorgepflicht und Datenschutz

Arbeitgeber haben grundsätzlich kein Recht zu erfahren, woran ein Arbeitnehmer erkrankt ist. In Zeiten einer Pandemie müssen Unternehmen aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr aber Schutzmaßnahmen ergreifen. Sie können ihre Beschäftigten dann ausnahmsweise aufgrund arbeitsrechtlicher Treuepflichten anhalten, die Art der Erkrankung mitzuteilen. Diese Mitteilung kann der Arbeitgeber durch diverse Maßnahmen unterstützen, wie z.B. Aufklärungsmaßnahmen, Einrichten einer Hotline zur Beratung oder zur Erstattung von Krankheits(verdachts)meldungen. Den Spagat zwischen Fürsorgepflicht für Beschäftigte und Besucher einerseits und datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Aspekten andererseits zu vollführen, fordert Unternehmen heraus. Alternative Maßnahmen können die Befragung der Beschäftigten nach spezifischen Symptomen sowie dem Aufenthalt in Risikogebieten, aber auch eine regelmäßige freiwillige Fiebermessung durch den Beschäftigten selbst oder einen Arzt sein. Das Datenschutzrecht gibt den Behörden mit einem Katalog von Entscheidungs- und Zumessungskriterien immerhin einen gewissen Spielraum an die Hand, mit der sich auch besondere Konfliktlagen mit Augenmaß bewerten lassen.

Robotik und KI im Kampf gegen das Virus

Roboter befällt das Virus zwar nicht, doch kommt keine Produktionskette bislang gänzlich ohne den Faktor Mensch aus. Herausfordernde Zeiten können außergewöhnliche Maßnahmen erforderlich machen – aber mit Maß und im Einklang mit den Rechten des Einzelnen. Robotik und KI können den Kampf gegen das Virus bereits heute unterstützen: Anhand der KI-gestützten Auswertung von Lungen-CT-Bildern lassen sich Muster erkennen und Rückschlüsse auf eine Infektion ziehen; Statistiktools können helfen, die Ausbreitung zu simulieren. In Indien und China sollen Roboter im Einsatz sein, die Lebensmittel verteilen oder Räume desinfizieren. Digitalisierung und Automatisierung haben (noch) enormes Potenzial – auch in Krisenzeiten. Die deutsche Wirtschaft wird die Herausforderung als Chance für weitere digitale und smarte Lösungen nutzen. Die Corona-Krise betrifft nicht einzelne Personen oder Branchen, sondern uns alle. Bleiben Sie gesund – und bleiben Sie zuversichtlich.

Seiten: 1 2Auf einer Seite lesen

Noerr LLP
www.noerr.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Fraunhofer IEM
Bild: Fraunhofer IEM
Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Welcher Liefertermin steht wann an? Wie aufwändig muss die Maschine umgerüstet werden? Ist das benötigte Material bereits geliefert? Um die Reihenfolge verschiedener Kundenaufträge optimal zu planen, müssen Produktionsplaner:innen eine Vielzahl von Faktoren kennen und einschätzen. Bei Schulte Kartonagen hat ab sofort ein intelligenter KI-Assistent alle Faktoren im Blick – und macht Vorschläge für die effiziente Planung der Produktion. Gefördert wurde die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IEM und den Universitäten Paderborn und Bielefeld im it’s OWL-Projekt ARISE.

Bild: schoesslers GmbH
Bild: schoesslers GmbH
appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe stellt den kostenfreien Online-Kurs ‚AI Essentials‘ zur Verfügung, der es Interessierten ermöglicht, in die Welt der Künstlichen Intelligenz einzusteigen. Konzepte wie maschinelles Lernen und Deep-Learning sowie deren Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen auf unser Leben und unsere Wirtschaft sind Teile der umfassenden Einführung.

Bild: Trumpf SE + Co. KG
Bild: Trumpf SE + Co. KG
Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Seit dem Siegeszug des Chatbots ChatGPT ist künstliche Intelligenz in aller Munde. Auch in der industriellen Produktionstechnik kommt KI mit großen Schritten voran. Lernende Maschinen machen die Fertigung effizienter. Wie funktioniert das genau? Das können Interessierte auf der EMO Hannover 2023 vom 18. bis 23. September erfahren. Die Weltleitmesse für Produktionstechnologie wird ihr Fachpublikum unter dem Claim ‚Innovate Manufacturing‘. mit frischen Ideen inspirieren und künstliche Intelligenz spielt dabei ihre Stärken aus.

Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

Das Data-Science-Tool Melsoft MaiLab von Mitsubishi soll Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Fertigung und unterstützen und so deren Produktivität steigern. Die neue Lösung ist eine intuitive, bedienerzentrierte Plattform, die KI nutzt, um Abläufe automatisch zu verbessern. Sei es Abfallvermeidung durch geringere Ausschussmengen, weniger Stillstandszeiten durch vorbeugende Wartung oder Senkung des Energieverbrauchs durch Prozessoptimierung.

Bild: Fraunhofer IGD
Bild: Fraunhofer IGD
Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

In Kombination mit einer Augmented-Reality-Brille bietet eine neue Software des Fraunhofer IGD digitale Unterstützung von Absortiervorgängen. Zusammengehörige Bauteile werden direkt im Sichtfeld der Beschäftigten an der Produktionslinie farblich überlagert. Anwender im Automotive-Bereich können so etwa durch beschleunigte Prozesse und eine minimierte Fehleranfälligkeit Kosten reduzieren.