Field Service Management:
Zwischen Regelwerk und Selbstlernen
Nach einer Studie von Gartner soll bis 2022 der Geschäftswert von KI auf 2,85 Billionen Euro steigen. Der Löwenanteil davon wird voraussichtlich auf den Bereich der Kundenerfahrung entfallen, für das schon ausgereifte Tools am Markt existieren. Dieser Überblick zeigt, wie es heute um KI im Field Service Management steht und wohin die Reise geht.
Regelbasierte Systeme bilden einen der einfachsten Typen im KI-Segment. Allerdings weist ihre Charakteristik eine Reihe von Nachteilen auf. Beispielsweise stehen Programmierer vor der Notwendigkeit, aufwendige Regeln und Schwellenwerte zu definieren. Als besonders schwierig erweist es sich, wenn sich Daten innerhalb kürzester Zeit ändern. Der Grund: Diese Art von Systemen kann lediglich solche Fehler finden, die bereits bekannt sind – sie sind nicht dafür ausgelegt, unbekannte Anomalien aufzudecken. Grundsätzlich liefern regelbasierte Systeme, die auch als Expertensysteme bezeichnet werden, eine ausreichende Operationsbasis für die Verwaltung und Analyse selbst bei größeren Datensätzen. Das gilt jedoch nicht für komplexe Daten wie Bilder oder Videos. Hier gilt es dafür zu sorgen, dass die Datenpunkte auf eine Menge verringert werden, die sich effektiv verarbeiten lässt – mit dem Nebeneffekt, dass dann allerdings nicht mehr der ganze Bestand abgebildet wird.
Basis für selbstständiges Handeln
Sobald die Komplexität jener Abläufe in Produktion und Field Service zunimmt, in denen regelbasierte Ansätze zum Einsatz kommen, geraten diese aufgrund ihres Funktionsprinzips schnell an ihre Grenzen. Einen Gegenentwurf bilden KI-Ansätze, die auf maschinellem Lernen basieren. Hierbei wird ein System anhand großer Datenmengen trainiert: es erzeugt selbst die Regeln und ein Modell zum Klassifizieren der Trainingsdaten. Die Interpretation der zu bewertenden Daten erfolgt in Echtzeit. Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Form von künstlicher Intelligenz in der Lage ist, Aktionen selbstständig auszulösen. Anhand ‚gesunder‘ Datenströme lernt sie Prozesse kennen und erkennt dann auch Anomalien, die gar keine definierten Schwellenwerte verletzen.
Voicebots und Chatbots
Beispiele für konkrete Anwendungsfälle, in denen beide KI-Ansätze – der regelbasierte und der lernende – beim Field Service Management zum Einsatz kommen, sind Voicebots und Chatbots. In einem regelbasierten System werden im Vorfeld Fragen und entsprechende Antwortmöglichkeiten definiert. Bei sämtlichen Fragen, die hierbei nicht berücksichtigt wurden, kann der Chatbot nicht behilflich sein. Regelbasierte Voicebots und Chatbots sind also für begrenzte Anwendungsbereiche nutzbar, solange sich die erforderlichen Daten nicht regelmäßig ändern. Einen flexibleren Einsatzbereich weisen KI-basierte Lösungen auf, die in der Lage sind, selbstständig zu lernen. Sie werden mit Datensätzen trainiert, erkennen Gesetzmäßigkeiten und leiten daraus weitere Antworten ab. Außerdem führt jede neue Spracheingabe dazu, dass diese weitertrainiert wird. Je nach Einsatzbereich sorgen Chatbots, denen eine regelbasierte oder eine lernende KI zugrunde liegt, für Entlastung im Service-Sektor. Sie erteilen einfache Auskünfte über Chatfenster und stellen Anwendern bei Bedarf technische Datenblätter oder Gebrauchsanweisungen bereit.
Hilfe bei Prozessautomatisierung und Dispatching
Neben der Unterstützung bei First-Level-Anfragen bildet die Automatisierung von Arbeitsabläufen im Service einen zentralen Einsatzbereich für künstliche Intelligenz. Field-Service-Management-Lösungen auf KI-Basis machen sich bereits heute beim Dispatching bezahlt und sichern die Einsatzplanung ab. Auch hier spielt der gewünschte Funktionsumfang eine zentrale Rolle für die Entscheidung, welcher Ansatz besser gewählt werden sollte. Sobald eine Regel in der Form ‚wenn das, dann das‘ formuliert werden kann, eignet sich der regelbasierte Ansatz. Ein Beispiel ist folgende Regel, die dem System ohne Weiteres einprogrammiert werden kann: Wenn der eingehende Auftrag vom Typ ‚Heizung reparieren‘ ist, dann soll er immer dem Techniker Meier zugewiesen werden. Im Gegensatz dazu werden bei dem KI-basierten Ansatz die eingehenden Kundenanfragen von selbstlernenden Algorithmen analysiert, die auf neurowissenschaftlichen Prinzipien basieren. Nachdem die künstliche Intelligenz die eingehenden Kundenanfragen analysiert hat, weist sie unter Berücksichtigung seiner Qualifikationen, des Standorts sowie der Verfügbarkeit selbstständig jedem Auftrag den am besten geeigneten Techniker zu.
Lernende KI bei Komplexität
Der lernende KI-Ansatz stellt insbesondere dann die bessere Wahl dar, wenn die zugrunde gelegten Regeln nicht eindeutig nach dem Wenn-Dann-Schema formuliert werden können. Welche Tragweite das haben kann, zeigt ein Beispiel aus einem ganz anderen Kontext: Beim strategischen Brettspiel Go sagen die Spieler oft, dass sich dieser oder jene Zug intuitiv gut anfühlt. Dabei können sie in der Regel nicht genau sagen, was der genaue Grund für ihre Einschätzung ist. Stattdessen verlassen sie sich einfach auf ihre Erfahrung. Genauso verhält es sich mitunter im Fall von KI: Zwar gibt es Regeln, aber diese sind viel diffuser und nicht eindeutig in Form von ‚wenn das, dann das‘-Zuordnungen abzubilden. Veranschaulichen lässt sich das anhand der KI-gestützten, automatischen Routenplanung. Die Frage, welcher Techniker welchen Auftrag annehmen soll, wird zu einer komplexen Aufgabenstallung, je höher die Anzahl ist. Hier gelangt ein regelbasiertes System als Lösungsansatz leicht an seine Grenzen. Einen deutlich zielführenderen Zugang mit besseren Ergebnissen ermöglichen derweil KI-Algorithmen – genauer gesagt Heuristiken, evolutionäre Algorithmen oder sogar neuronale Netzwerke.
So normal wie ERP-Software
Der Blick auf Anwendungsfelder im Bereich Field Service Management zeigt: Künstliche Intelligenz im Praxiseinsatz ist keine Zukunftsmusik mehr, sondern bereits heute Realität. Bis 2021 werden Gartner zufolge 70 Prozent der Unternehmen in irgendeiner Form KI nutzen, um die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu steigern. Und genau hier offenbart sich eine gängige Sorge als maßlos übertrieben: KI und Automatisierungsstrategien werden menschliche Arbeit eben nicht ersetzen und überflüssig machen, wie es schon vielfach befürchtet worden ist. Statt Konkurrenz stehen die Weichen eher auf Kollaboration – menschliche Fachkräfte und fortschrittliche Technologien haben das Zukunftspotenzial, gemeinsam bessere Arbeitsergebnisse zu erzielen, als es bis vor kurzem noch denkbar war. Und das ist alles andere als eine entmutigende Zukunftsvision.