Maschinelles Lernen beschleunigt Materialsimulationen

Erforschung, Entwicklung und Herstellung neuer Materialien hängen entscheidend von schnellen und zugleich genauen Simulationsmethoden ab. Maschinelles Lernen, bei dem künstliche Intelligenz (KI) selbstständig neues Wissen erwirbt und anwendet, wird es künftig ermöglichen, komplexe Materialsysteme rein virtuell zu entwickeln. Wie das funktioniert und welche Anwendungen davon profitieren, erklärt ein Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Kollegen aus Göttingen und Toronto.
Neuronale Netze ermöglichen präzise Materialsimulationen – bis hinunter auf die Ebene einzelner Atome.
Neuronale Netze ermöglichen präzise Materialsimulationen – bis hinunter auf die Ebene einzelner Atome.Bild: Pascal Friederich, Karlsruher Institut für Technologie

Digitalisierung und Virtualisierung gewinnen in den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen immer mehr an Bedeutung. Dies gilt auch für die Materialwissenschaft: Erforschung, Entwicklung und Herstellung neuer Materialien hängen entscheidend von schnellen und zugleich genauen Simulationsmethoden ab. Davon wiederum profitieren ganz unterschiedliche Anwendungen – von effizienten Energiespeichern, wie sie bei der Nutzung erneuerbarer Energien unverzichtbar sind, bis hin zu neuen Medikamenten, deren Entwicklung das Verständnis komplexer biologischer Vorgänge voraussetzt. Methoden der KI und des Maschinellen Lernens können Materialsimulationen entscheidend voranbringen. „Gegenüber herkömmlichen Simulationsmethoden, die auf klassischen oder quantenmechanischen Rechnungen basieren, lässt sich mit speziell auf Materialsimulationen zugeschnittenen neuronalen Netzen ein deutlicher Geschwindigkeitsvorteil erreichen“, erklärt der Physiker und KI-Experte Professor Pascal Friederich, Leiter der Forschungsgruppe AiMat – Artificial Intelligence for Materials Sciences am Institut für Theoretische Informatik (ITI) des KIT. „Schnellere Simulationssysteme werden es Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftlern in den kommenden Jahren ermöglichen, größere und komplexere Materialsysteme rein virtuell zu entwickeln, sie bis auf die atomare Ebene hinunter zu verstehen und zu optimieren.“

Hohe Präzision vom Atom bis zum Werkstoff

In einem in der Zeitschrift Nature Materials veröffentlichten Artikel gibt Pascal Friederich, der auch als assoziierter Gruppenleiter im Bereich Nanomaterials by Information-Guided Design am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT tätig ist, gemeinsam mit Forschern der Universität Göttingen und der University of Toronto einen Überblick über die grundlegenden Prinzipien des für Materialsimulationen eingesetzten Maschinellen Lernens, den Datenerfassungsprozess sowie aktive Lernverfahren. Algorithmen für Maschinelles Lernen ermöglichen künstlicher Intelligenz, die eingegebenen Daten nicht nur zu verarbeiten, sondern in großen Datensätzen Muster und Korrelationen zu finden, daraus zu lernen und selbstständig Vorhersagen und Entscheidungen zu treffen. Bei Materialsimulationen kommt es darauf an, eine hohe Präzision über verschiedene Zeit- und Größenskalen – vom Atom bis zum Werkstoff – zu erreichen und zugleich die Rechenkosten zu begrenzen. In ihrem Artikel gehen die Wissenschaftler auch auf verschiedene aktuelle Anwendungen ein, wie kleine organische Moleküle und große Biomoleküle, strukturell ungeordnete feste, flüssige und gasförmige Materialien sowie komplexe kristalline Systeme – z.B. metallorganische Gerüstverbindungen, die sich zur Gasspeicherung oder zur Stofftrennung, für Sensoren oder für Katalysatoren einsetzen lassen.

Noch mehr Tempo mit hybriden Methoden

Um die Möglichkeiten der Materialsimulationen zukünftig noch zu erweitern, schlagen die Forschenden aus Karlsruhe, Göttingen und Toronto vor, hybride Methoden zu entwickeln: Diese verbinden Verfahren des Maschinellen Lernens (ML) und der Molekularen Mechanik (mm) miteinander. mm-Simulationen bedienen sich sogenannter Kraftfelder, um die auf jedes einzelne Teilchen wirkenden Kräfte zu berechnen und damit Bewegungsabläufe vorherzusagen. Die Ähnlichkeit der ML- und mm-Potenziale erlaubt eine enge Integration mit variablen Übergangsbereichen. Solche hybriden Methoden könnten künftig z.B. die Simulation großer Biomoleküle oder enzymatischer Reaktion noch einmal deutlich beschleunigen.

Karlsruher Institut für Technologie

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Fraunhofer IEM
Bild: Fraunhofer IEM
Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Welcher Liefertermin steht wann an? Wie aufwändig muss die Maschine umgerüstet werden? Ist das benötigte Material bereits geliefert? Um die Reihenfolge verschiedener Kundenaufträge optimal zu planen, müssen Produktionsplaner:innen eine Vielzahl von Faktoren kennen und einschätzen. Bei Schulte Kartonagen hat ab sofort ein intelligenter KI-Assistent alle Faktoren im Blick – und macht Vorschläge für die effiziente Planung der Produktion. Gefördert wurde die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IEM und den Universitäten Paderborn und Bielefeld im it’s OWL-Projekt ARISE.

Bild: schoesslers GmbH
Bild: schoesslers GmbH
appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe stellt den kostenfreien Online-Kurs ‚AI Essentials‘ zur Verfügung, der es Interessierten ermöglicht, in die Welt der Künstlichen Intelligenz einzusteigen. Konzepte wie maschinelles Lernen und Deep-Learning sowie deren Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen auf unser Leben und unsere Wirtschaft sind Teile der umfassenden Einführung.

Bild: Trumpf SE + Co. KG
Bild: Trumpf SE + Co. KG
Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Seit dem Siegeszug des Chatbots ChatGPT ist künstliche Intelligenz in aller Munde. Auch in der industriellen Produktionstechnik kommt KI mit großen Schritten voran. Lernende Maschinen machen die Fertigung effizienter. Wie funktioniert das genau? Das können Interessierte auf der EMO Hannover 2023 vom 18. bis 23. September erfahren. Die Weltleitmesse für Produktionstechnologie wird ihr Fachpublikum unter dem Claim ‚Innovate Manufacturing‘. mit frischen Ideen inspirieren und künstliche Intelligenz spielt dabei ihre Stärken aus.

Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

Das Data-Science-Tool Melsoft MaiLab von Mitsubishi soll Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Fertigung und unterstützen und so deren Produktivität steigern. Die neue Lösung ist eine intuitive, bedienerzentrierte Plattform, die KI nutzt, um Abläufe automatisch zu verbessern. Sei es Abfallvermeidung durch geringere Ausschussmengen, weniger Stillstandszeiten durch vorbeugende Wartung oder Senkung des Energieverbrauchs durch Prozessoptimierung.

Bild: Fraunhofer IGD
Bild: Fraunhofer IGD
Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

In Kombination mit einer Augmented-Reality-Brille bietet eine neue Software des Fraunhofer IGD digitale Unterstützung von Absortiervorgängen. Zusammengehörige Bauteile werden direkt im Sichtfeld der Beschäftigten an der Produktionslinie farblich überlagert. Anwender im Automotive-Bereich können so etwa durch beschleunigte Prozesse und eine minimierte Fehleranfälligkeit Kosten reduzieren.