Ist KI der nächste Megatrend?

Leitmesse für die digitale Industrie

Ist KI der nächste Megatrend?

Bild: Ulrich Sendler

Wer wissen will, welche IT-Systeme die eigenen Prozesse am besten unterstützen, geht einmal im Jahr zur Digital Factory auf der Hannover Messe. Dieses Jahr finden sich dort zunehmend Angebote aus einem Umfeld, das eher mit der Forschung verbunden wird: Künstliche Intelligenz. Neben der Digitalisierung der Prozesse kommt zudem immer häufiger die Aufgabe hinzu, die eigenen Produkte für die Datenanalyse und darauf basierende Dienstleistungen vorzubereiten.
Seit Jahrzehnten setzt die Industrie für nahezu alle Arbeitsschritte – von der Entwicklung über die Produktion bis zum Service – Software ein. Ebenfalls schon seit Längerem gilt Produkt-Lebenszyklus-Management (PLM) dabei als die Königsklasse solcher Software. Sie soll dafür sorgen, dass alle Daten, die in den Prozessen in Zusammenhang mit einem Produkt entstehen, jederzeit aktuell und in ihren Zusammenhängen abgerufen werden können. Man kann nicht behaupten, dass dieser Teil der Digitalisierung schon abgeschlossen wäre, nicht einmal in der Mehrheit der Unternehmen. Und da steht bereits der nächste Schritt auf der Agenda. Wie hängt Künstliche Intelligenz (KI) zusammen mit der Industriesoftware, die wir schon lange kennen? Maschinenlernen hat in allerletzter Zeit, in wenigen Jahren, offenbar schlagartig einen Reifegrad erreicht, der den industriellen Einsatz in der Breite möglich machen soll. In Verbindung mit dem rapiden Preisverfall bei der Elektronik, bei Sensoren und Aktoren, aber auch bei digitalen Kameras und anderen Geräten, die den Dingen das Hören und Sehen beibringen, kann nun die Künstliche Intelligenz für alle erdenklichen Arten von Datenanalysen herangezogen werden. Festmachen lässt sich dieser Trend an der Tatsache, dass neben den großen Anbietern von Industriesoftware seit 2016 auch Anbieter von KI-Angeboten auf der Digital Factory ausstellen.

Künstliche Intelligenz

verändert Systemnutzung

Die Industrie insgesamt stellt für diese Anbieter den wohl größten Interessentenkreis dar. Einige der namhaften Anbieter von KI-Plattformen, zum Beispiel IBM mit Watson IoT und Microsoft mit Azure, aber auch Bosch mit seiner IoT Suite, sind ins Zentrum der Digital Factory in die Halle 7 gerückt. Auch 2017 werden die Anbieter von CAD-, CAM- und CAE- sowie PLM-Lösungen in Halle 6 zu finden sein, die seit 2016 nicht mehr ausschließlich Ausstellern im Bereich Industrial Supply vorbehalten war. Hier ist zu erwarten, dass KI den Einsatz von herkömmlicher Industriesoftware sogar noch vorantreiben könnte. Wenn diese nämlich bestmöglich eingestezt wird, hat der Produzent alle zum Produkt gehörenden Daten zur Verfügung: die Solldaten, die Geometrie und Kinematik, die Anforderungen, die zur Entwicklung geführt haben, und die programmierte Funktionalität. Für die geschäftsmäßige Nutzung der Daten aus dem vernetzten Produkteinsatz wäre das eine lohnende Basis.

Engineeringdaten als

Wettbewerbsfaktor

Das ist übrigens auch der große Wettbewerbsvorteil der Produzenten gegenüber den neuen Dienste-Anbietern aus der IT-Welt, denn Sensoren oder QR-Codes an einem Gerät befestigen kann jeder. Die Originaldaten aus dem Engineering hat nur der Hersteller. Man könnte also sagen: Je besser die Industrie ihre Prozesse mit IT ausstattet und integriert, desto größeren Nutzen kann sie aus den neuen Angeboten Künstlicher Intelligenz ziehen. Wo das Potenzial dieser Technik genau liegt, muss sich in den nächsten Jahren noch erweisen. Wird es bei vorausschauender Wartung bleiben? Oder wird die Logistik, vielleicht gerade die Intralogistik der Unternehmen ins Zentrum rücken? Werden die Roboter bald so schnell durch Zuschauen lernen, dass dies günstiger und besser wird als das Teaching und die Programmierung? Solche Fragen dürften die Besucher der kommende Digital Factory umtreiben. Neben den Hallen 6 und 7 liefern erneut zahlreiche Podien und Foren in der Halle 8 Informationen, die sich in den letzten Jahren gewissermaßen zu einem großen Industrie 4.0-Forum wandelte. In Halle 6 stellen vornehmlich Unternehmen solche Software aus, mit der Produkte entwickelt, konstruiert, getestet sowie ihre Funktion simuliert werden können. Hinzu kommen Anbieter von Systemen, mit denen alle Daten aus solchen Autorensystemen konsolidiert und zentral verfügbar gemacht werden können, also Lösungen für Produktdaten- und Produkt-Lebenszyklus-Management (PDM und PLM). Dabei sorgte der vergleichsweise junge Ausstellermix in der Vergangenheit für intersannte Gespräche untereinander. Denn die anderen industriellen Zulieferer, die auf der Industrial Supply ausstellen, sind zugleich selbst Anwender von Industriesoftware. Viele der größten Anbieter von Industriesoftware für Engineering und Datenmanagement werden auch 2017 auf der Messe vertreten sein: von Autodesk, Aucotec und IGE-XAO, über Dassault Systèmes und Eplan bis Siemens PLM Software.

Mehr als ein

Datenlieferant

Diese Anwendungen sind gerade in Internet of Things-Szenarien nicht nur Lieferant von Herstellerdaten. Sie können durch Analysen die anfallenden Datenmengen für die Verbesserung etwa des Designs und der Programmierung von Embedded Software nutzbar machen. So wird beispielsweise Dassault Systèmes das eigene Software-Portfolio diesmal mit dem Unternehmen Westrock – vormals Mid West Vaco – an seinen Demopunkten präsentieren. Das produzierende Unternehmen nutzt die Plattform für den kompletten Entwicklungsprozess seiner Verpackungen: vom Brainstorming für die ersten Marketingkonzepte, das 3D-Design, die Simulation bis zur Fertigung. Ein anderes Beispiel: Bei Eplan steht neben dem 2016 vorgestellten und seit September in Pilotanwendungen erprobten Tool für multidisziplinäre Systementwicklung Syngineer ein neues Tool im Zentrum: Cogineer soll Anwender in die Lage versetzen, Schaltpläne bis zu 50% schneller als zuvor zu erstellen. Die Softwaresparte von Siemens rückt die Simulation über die Fachbereiche hinweg in den Mittelpunkt. Gezeigt werden unter anderem die Lösung Simcenter und eine durchgängige Unterstützung additiver Fertigungsverfahren vom Design bis zur Topologieoptimierung. Der Bereich Additive Manufacturing ist ebenfalls neu in der Halle 6 platziert. Neben Arburg, Alphacam oder Altair wird auch EOS mit einem Stand vertreten sein. Komplementiert wird die Halle 6 durch das CAE-Forum, welches auch 2017 zentraler Anlaufpunkt für die Themen der numerischen Simulation, 3D Visualisierung und 3D-Druck sowie 3D-Scan ist.

Software für Business

und Produktion

Weitere Schwerpunkte der Digital Factory sind auch in diesem Jahr in Halle 7 zu finden: ERP, MES, CRM. Also Anwendungen zur Fertigungsplanung- und -steuerung, für die digitalgestützte Kundenpflege und Geschäftsabwicklung. Auch hier sind langjähige Aussteller wie Forcam, MPDV, PSI und SAP anzutreffen. Mit der Etablierung von Internet of Things-Technologien könnte sich auch der Einsatz dieser Software verändern. Denn die Anwendungen könnten durch der Analyse großer Datenmengen ebenfalls zur besseren Wertschöpfung im Unternehmen beitragen. Oder sie werden mit den Informationen die Algorithmen für neue Geschäftsmodelle anreichern.

Die Industrie wird

Dienstleister

Auch das Kundenverhältnis ist im Wandel. Die Adresse, der Ansprechpartner, das gekaufte Produkt, die vereinbarte Wartung – all das wird möglicherweise nicht mehr entscheidend sein. Vielleicht wechselt der Kunde vom Käufer des Produkts zur Nutzung der damit verbundenen Dienstleistung. Diese neue Dienstleistung könnte das maßgeschneiderte Ergebnis der beim Kunden gesammelten und analysierten Daten aus der Produktnutzung sein. Sofern der Kunde diese Analyse seiner Nutzungsdaten gewünscht und angestoßen hat. Ähnlich lässt sich die Veränderung der Rollen auch für MES-Software oder ERP-Systeme veranschaulichen. Diese unter dem Markenzeichen Industrie 4.0 angestoßene industrielle Revolution schafft die Voraussetzung, aus der letzten Stufe der Digitalisierung noch größeren Nutzen zu ziehen. Und sie ändert in gewisser Weise den Charakter der Industrie. Im Zentrum steht nicht mehr das Produkt, sondern die Dienstleistungen, die mit dem Produkt angeboten werden können. Dieser Wandel ist auf der diesjährigen Digital Factory in Hannover in allen Facetten zu sehen.

Ulrich Sendler
www.ulrichsendler.de

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