Künstliche Intelligenz in der Qualitätssicherung
Das nächste Level von MRK
Bisweilen wird einem der Eindruck vermittelt, dass die Fertigung heute schon vollautomatisch abläuft – selbstgesteuert durch künstliche Intelligenz. Doch wird vermutlich auch im Zeitalter von intelligenten Maschinen in den meisten Produktionsumgebungen der Mensch seine zentrale Rolle behalten. Dabei lernen Maschinen von Menschen und Menschen von Maschinen. Eine Demo-Anwendung zeigt exemplarisch, wie maschinelles Lernen bei der Qualitätsprüfung im Zusammenspiel mit einem Roboter in der Fertigung funktioniert.
Ein wesentliches Merkmal des COVIQS-Demonstrators (Collaborative Visual Quality Services) von Capgemini ist, dass die Prüfung auf Basis von Bildverarbeitung und Apas-Roboter mobil ist, also ortsungebunden. So kann die Qualitätsprüfung flexibel, direkt an der Produktionslinie und damit interaktiv durchgeführt werden. Welche Hardware-Elemente dafür vor Ort – neben der Kamera – installiert sein müssen, kann frei konfiguriert werden. Ein wesentliches Element von maschinellem Lernen ist der sogenannte Konfidenzwert: Dieser Wert zwischen 0 und 1 gibt an, wie sicher sich ein System in seiner Aussage ist. In Anwendungsfall des Demonstrators ist dies die Angabe darüber, wie sicher ein Bildobjekt als richtig erkannt wurde. Das Verfahren steht im Gegensatz zu klassischen Prüfsystemen, die lediglich aussagen, ob eine Prüfung in Ordnung (IO) oder nicht in Ordnung (NIO) erfolgt ist. Warum aber ist der Konfidenzwert so wichtig und warum reicht die Aussage IO/NIO nicht aus? Maschinelles Lernen muss immer im Gesamtkontext gesehen und das Systemverhalten im Zusammenspiel mit den Mitarbeitern beachtet werden.
Nachhilfeunterricht für Maschinen
Systeme, die auf maschinellem Lernen basieren, sind immer nur so gut wie die Input-Daten, mit denen sie trainiert wurden. In genannten Fall sind das die Bilder, mit denen die Prüfanwendung gelernt hat. In der Praxis treten immer mal wieder Situationen auf, die nicht Teil der Trainingsmenge waren. Das kann z.B. eine Hand sein, die im Bildausschnitt auftaucht oder eine Produktvariante, die nicht in der Trainingsmenge vorhanden war. Das System antwortet in diesem Fall mit einem reduzierten Konfidenzwert. Es ist damit eine Aufforderung an den Experten, die Aussage des Systems zu verifizieren. Damit wird Transparenz in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine geschaffen.
Maschinelles Lernen per Handy verbessern
Die Demo-Anwendung startet den Verifikationszyklus, wenn der Konfidenzwert unter eine definierte Schwelle rutscht. Der Bediener erhält dann automatisch eine Mitteilung auf seinem mobilen Gerät, ohne zu den in der Produktion üblichen HMIs zu gehen. Er kann dort direkt die Systementscheidung anhand der Bildsituation prüfen. Im Bedarfsfall kann er die IO/NIO-Entscheidung des Systems überstimmen. Dieses Ergebnis wird anschließend an die Qualitätssicherung weitergeleitet. Dort trainiert man damit eine neue Version des Prüfsystems, das die geänderten Rahmenbedingungen berücksichtigt. Ähnlich wie ein erfahrener Mitarbeiter wird das System nun mit einer größeren Bandbreite von Umgebungseinflüssen korrekte Ergebnisse liefern.
Grundlage für Mensch/Roboter-Kooperation (MRK)
Beim Design von Anwendungen in der Produktion, die auf maschinellem Lernen beruhen, legt Capgemini den Perception-Cognition-Action-Zyklus zugrunde. Die Kognition (Cognition) kann salopp als das betrachtet werden, was zwischen der Wahrnehmung (Perception) und der Aktion (Action) liegt. Beim Menschen handelt es sich also um die geistigen Prozesse, die zur Aktion führen. Das kann man auch auf die Maschine übertragen: Cognition ist dann sozusagen die Magie zwischen Sensor und Aktor. Diese beiden Zyklen müssen so miteinander verbunden werden, dass der Mensch basierend auf seiner Aktion eine passende Reaktion vom System erfährt (siehe Grafik). In der Praxis kann das wie folgt aussehen: Ein Mitarbeiter in der Fertigung soll zum Beispiel direkt nach einem Montageschritt Feedback erhalten, ob dieser erfolgreich von ihm durchgeführt wurde. Die Aktion des Systems muss dabei passend zur Wahrnehmung des Mitarbeiters gestaltet werden. Hier ist also zu bestimmen, ob das durch die Aktion ausgedrückte Feedback visuell, akustisch oder haptisch erfolgen soll. Die direkte Rückmeldung unterstützt unerfahrene Mitarbeiter bei der Einarbeitung und verhindert bei Experten Flüchtigkeitsfehler, die sonst eventuell erst später im Prozess erkannt werden. Mittels maschinellen Lernens und MRK können erhebliche Effizienzgewinne erzielt werden. Alles dreht sich um den Menschen und so müssen diese Systeme immer in Anbetracht der Fähigkeiten von Menschen und Maschine erstellt werden. Wenn Produktionsunternehmen ihre KI-Anwendungen zukünftig nach dieser Prämisse designen, ist der Weg zur wahren Smart Factory nicht mehr allzu weit.
Maschinelle Zusammenarbeit mit OPC UA
Aber auch die Zusammenarbeit der Maschinen untereinander muss in einer smarten Fabrik noch verbessert werden. Eine Schlüsseltechnologie dabei ist OPC UA: Viele Unternehmen haben Initiativen gestartet, um den Standard flächendeckend einzuführen. Ein zentrales Elelement von OPC UA ist neben der vereinfachten und sicheren Kommunikation die einheitliche semantische Beschreibung. Im Beispielszenario wurde dafür die vom VDMA initiierte Companion Specification Robotics für den APAS-Roboter und die Companion Specification Vision für die COVIQS-Lösung verwendet. Damit konnten zwei getrennte Teams in kurzer Zeit beide Lösungen miteinander verbinden, ohne Detailkenntnisse über die jeweils andere Anwendung zu besitzen. Konkret fragt der Roboter nach der Teileidentifikation über den von uns implementierten OPC UA Server die mit COVIQS ermittelte Teilequalität ab. Entsprechend dieser Antwort werden die Teile dann in die dafür vorgesehenen Behälter einsortiert. Die Definition und Konfiguration der Business Logik für diesen Prozess erfolgt mithilfe einer zentralen Node-Red Applikation. Hierdurch kann die Prozesslogik flexibel konfiguriert werden, ohne dass eine direkte Anpassung des Roboter oder Vision Systems notwendig ist. Durch den Einsatz von OPC UA kann darüber hinaus die Integration von COVIQS in bestehende Produktionslinien vereinfacht werden. Capgemini nutzt hierfür die standardisierte semantische Beschreibung PLCopen OPC UA Client für Steuerungen, die eine Unabhängigkeit von der verwendeten SPS-Hardware sicherstellt. Damit können auch bisher nicht mit OPC UA betreibbare Steuerungen mit weiteren Anwendungen effektiv und prozesssicher kommunizieren. Auch bei OPC UA setzt Capgemini mit dem Javascript-basierten NodeOPCUA auf Open Source.