Deep Learning Wie intelligent ist die Fabrik der Zukunft?

Die Diskussion darüber, wie stark intelligente Maschinen das Bild unserer Fabriken verändern werden, ist reich an Superlativen und Prognosen. Dabei arbeiten auch in zehn Jahren noch Menschen in den Fabrikhallen.

 


Bild: ROI Management Consulting AG

Die Gründe dafür sind recht eindeutig: Kein uns heute bekanntes künstliches System besitzt die Flexibilität, situative Intelligenz oder Adaptionsfähigkeit, die für Menschen normal sind. Maschinen schaffen nicht den Sprung über die ‚kreative Schranke‘, ihnen fehlt das, was jeder gute Werksleiter beherrscht – die Fähigkeit zur Improvisation, der Rückgriff auf logisch nicht herleitbare Problemlösungsmuster. Doch Deep Learning verringert den Abstand.

Maschinen wollen nicht

Die heute als intelligent bezeichneten Maschinen können durchaus beeindruckende Rechenleistungen vollbringen, die dem menschlichen Gehirn nicht nachstehen, es vielleicht sogar übertreffen – wie man es etwa beim Schach oder bei Go beobachten kann. Sie können auch handeln und Anweisungen befolgen. Sie sind jedoch nicht in der Lage, Rechenleistung und beobachtbare Handlungen zu verbinden. Maschinen haben weder Selbsterkenntnis, noch Intentionalität, noch Eigenmotivation. Was nicht verwunderlich ist, denn über diese Eigenschaften und ihre Genese wissen wir selbst beim Menschen erstaunlich wenig. Rodney Brooks, einer der profiliertesten KI-Experten der USA, hat mitten in der Debatte über die potenziellen Bedrohungen durch die KI richtig festgestellt: selbst sehr weitreichende Lernprozesse helfen Maschinen weder dabei, einen eigenen Willen zu entwickeln, noch Verständnis für menschliche Ziele, Wünsche oder Motivationen zu wecken. Beides, so Brooks, sei aber die Voraussetzung für potenziell bösartige künstliche Intelligenz. Auf Sicht werden wir deshalb mit Maschinen zusammenarbeiten müssen – oder sie mit uns.

Wen entmachtet die KI?

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Digitalisierung der Industrie und die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ohne Folgen für die Arbeitsplätze und Jobprofile bleiben. Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen der physischen Wertschöpfung einerseits und den Informations- und Kommunikationsprozessen andererseits. So wird sich aller Voraussicht nach aus den oben erwähnten Gründen in der Produktion in den kommenden Jahren relativ wenig ändern. Hier werden die Maschinen, vor allem Roboter, eine unterstützende Assistenz-Funktion übernehmen. Ohne Zweifel wird es auch Veränderungen vor allem in der internen Logistik geben, etwa durch fahrerlose Transportsysteme. Doch gilt es zu bedenken, dass es sich dabei um einen eher evolutionären Prozess handelt, der durchaus im Bereich des normalen technologischen Wandels liegt.

Gravierende Veränderungen

Gravierend dürften dagegen die Veränderungen bei den Informations- und Kommunikationsprozessen werden. Die Kommunikation der Maschinen, Werkstücke und Transportelemente untereinander sowie die dezentrale Organisation und Koordination bilden den Kern der Industrie 4.0-Ansätze. Zentrale Stellen werden damit im großen Umfang obsolet, was gerade in den IT-Abteilungen, der Disposition, der Planung und Prozesssteuerung sehr vieles verändern wird. Besonderer Veränderungsdruck liegt dabei in der Weiterentwicklung des ‚Deep Learning‘. Doch durch die Digitalisierung – insbesondere durch neue Datenbanksysteme, Cloud- und Fog-Technologien, die Verbreitung smarter Objekte im IoT und verbesserte Konnektivitätslösungen, verfügen wir inzwischen über gewaltige Datensets: Groß genug, um künstliche neuronale Netze zu trainieren und zu testen. Die tiefe Analyse auch unstrukturierter Daten, neue Visualisierungstechniken und immer leistungsfähigere Hardware schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung teilautonomer Systeme. Zu einem wichtigen Faktor wird auch die Popularisierung der Deep Learning Technologie werden. Das zeigt beispielsweise die kürzlich von Google vorgestellte Quick Access Funktion, mit der die Google Drive Nutzer die richtigen Dateien zum richtigen Zeitpunkt finden.

Die halb-smarte Fabrik

Besonderes Potenzial von KI und Deep Learning liegt darin, dass sie das Grundproblem der IT adressieren – das in der binären Struktur begründetes Ja/Nein-Muster. Die Fähigkeit zum Umgang mit Unschärfen einzubauen und eine wirkliche Mustererkennung zu ermöglichen, hat gerade für die Analyse von Big Data, von ganzen Parameterclustern, höchste Relevanz. Das ist die Voraussetzung, um auch komplexe Entscheidungsprozesse zu automatisieren und um Maschinen und Fabriken wirklich smart zu machen. Denn diese sind heute weit weniger smart, als die öffentliche Wahrnehmung suggeriert: Von wirklich smarten Fabriken, verstanden als physisch-virtuelle Räume in denen alle relevanten Vorprodukte, Maschinen und Informationen vernetzt sind und weitgehend autonom agieren, kann heute noch nicht die Rede sein. In vielen Unternehmen sind einzelne Elemente und Konzepte bereits realisiert, nicht aber eine umfassende Digitalisierung.

Do you speak data?

Die vielleicht wichtigste Bremse für den digitalen Wandel und eine breitflächige Nutzung der Potenziale von KI, Deep Learning, Big Data oder Cloud liegt jedoch darin, dass den meisten Unternehmen bislang noch schlicht Ideen und Roadmaps fehlen, um in das Thema einzusteigen. Die Frage, was vor diesem Hintergrund zu tun ist, führt erneut zum Thema Mitarbeiter: Um Neues zu entwickeln, braucht man hochqualifizierte und engagierte Mitarbeiter, die genug Ressourcen und Freiräume haben, um Neues zu denken und auszuprobieren. Die beste Strategie nutzt nichts, wenn man nicht in der Lage ist, kreative Räume zu schaffen und zu schützen. Ein weiterer Faktor ist, dass wir inzwischen gelernt haben, Daten zu sammeln. Wir sind aber noch weit davon entfernt, von wirklicher ‚Datenkompetenz‘ sprechen zu können. Selbst wenn die Singularität noch Jahrzehnte weg sein sollte: Die Daten sind die Sprache der Maschinen, mit denen wir eng zusammenarbeiten werden. Wir sollten diese Sprache beherrschen.

Ausgabe:
ROI Management Consulting AG
www.roi.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Fraunhofer IEM
Bild: Fraunhofer IEM
Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Effiziente Produktionsplanung: KI reduziert Aufwand bei Schulte Kartonagen um 25%

Welcher Liefertermin steht wann an? Wie aufwändig muss die Maschine umgerüstet werden? Ist das benötigte Material bereits geliefert? Um die Reihenfolge verschiedener Kundenaufträge optimal zu planen, müssen Produktionsplaner:innen eine Vielzahl von Faktoren kennen und einschätzen. Bei Schulte Kartonagen hat ab sofort ein intelligenter KI-Assistent alle Faktoren im Blick – und macht Vorschläge für die effiziente Planung der Produktion. Gefördert wurde die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IEM und den Universitäten Paderborn und Bielefeld im it’s OWL-Projekt ARISE.

Bild: schoesslers GmbH
Bild: schoesslers GmbH
appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

appliedAI Institute for Europe launcht kostenlosen KI-Onlinekurs

Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe stellt den kostenfreien Online-Kurs ‚AI Essentials‘ zur Verfügung, der es Interessierten ermöglicht, in die Welt der Künstlichen Intelligenz einzusteigen. Konzepte wie maschinelles Lernen und Deep-Learning sowie deren Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen auf unser Leben und unsere Wirtschaft sind Teile der umfassenden Einführung.

Bild: Trumpf SE + Co. KG
Bild: Trumpf SE + Co. KG
Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Künstliche Intelligenz macht Fabriken clever

Seit dem Siegeszug des Chatbots ChatGPT ist künstliche Intelligenz in aller Munde. Auch in der industriellen Produktionstechnik kommt KI mit großen Schritten voran. Lernende Maschinen machen die Fertigung effizienter. Wie funktioniert das genau? Das können Interessierte auf der EMO Hannover 2023 vom 18. bis 23. September erfahren. Die Weltleitmesse für Produktionstechnologie wird ihr Fachpublikum unter dem Claim ‚Innovate Manufacturing‘. mit frischen Ideen inspirieren und künstliche Intelligenz spielt dabei ihre Stärken aus.

Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
Bild: Mitsubishi Electric Corporation, Japan
KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

KI-gestütztes Analysetool für moderne Produktionslinien

Das Data-Science-Tool Melsoft MaiLab von Mitsubishi soll Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Fertigung und unterstützen und so deren Produktivität steigern. Die neue Lösung ist eine intuitive, bedienerzentrierte Plattform, die KI nutzt, um Abläufe automatisch zu verbessern. Sei es Abfallvermeidung durch geringere Ausschussmengen, weniger Stillstandszeiten durch vorbeugende Wartung oder Senkung des Energieverbrauchs durch Prozessoptimierung.

Bild: Fraunhofer IGD
Bild: Fraunhofer IGD
Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

Software Arrange beschleunigt Absortierprozesse

In Kombination mit einer Augmented-Reality-Brille bietet eine neue Software des Fraunhofer IGD digitale Unterstützung von Absortiervorgängen. Zusammengehörige Bauteile werden direkt im Sichtfeld der Beschäftigten an der Produktionslinie farblich überlagert. Anwender im Automotive-Bereich können so etwa durch beschleunigte Prozesse und eine minimierte Fehleranfälligkeit Kosten reduzieren.